
Stephan Zerlik
Letztens war ich unterwegs. Das Ziel: die Weltstadt Essen! Ende Oktober ist Essen the place to be! 220.000 Besucher strömten dort zur großen Leitmesse – zur Huldigung des Brettspiels – zur Jagd nach seltenen Schätzen. Zur SPIEL 2025.
Liebe Leser*innen, ihr wart mit ziemlicher Sicherheit selbst auf der Messe oder zumindest in einem der vergangenen Jahre. Was könnte ich euch also noch berichten? Natürlich schwimme ich im Strom der Masse – aber eben auch nicht ganz. Als Content Creator für Podcast und YouTube-Kanal sowie als Autor und Layouter der spielbox verschiebt sich mein Fokus etwas.
Dienstag – T minus 2 Tage
Der erste Messetag ist klassischerweise ein Donnerstag. Doch für mich beginnt die Parallelwelt SPIEL bereits am Dienstag – mit einem Interview der Messeleitung. In die Hallen geht es zu diesem Zeitpunkt nicht: Während des Aufbaus gilt das Gelände als Baustelle. Nach rund zwei Stunden Videoproduktion samt Veröffentlichung werde ich also wieder zurück in die Realität geschickt – und treffe Freunde im Ruhrgebiet. Die Ruhe vor dem Sturm.
Mittwoch – T minus 1 Tag
Heute stehen die Pressekonferenz und die Neuheitenschau für Pressevertreter an. In unserer Szene – der Brettspielszene – machen hobbybasierte Blogs wie meine eigenen den Großteil des Fachjournalismus aus. Wir sind also das Sprachrohr zu den Spieler*innen, zur Basis!
Große Medien wie Rundfunk und auflagestarke Printprodukte tragen an diesem Pressetag die Kunde des Brettspiels in die Welt hinaus und versuchen, Wenig- und Nichtspieler mit dem (für sie exotischen) Hobby „Brettspiele spielen“ in Kontakt zu bringen.
Mein Fokus liegt an diesem Tag – wie bei den meisten – neben der aktuellen Berichterstattung – auf dem Wiedersehen. Mehrere Hundert Personen tummeln sich im gut vernetzten Content-Creator-Bereich. Man freut sich über jedes Wiedersehen, oft das erste seit einem Jahr. Gespräche über die Spieleszene, aber auch über Persönliches, bestimmen diesen Tag.
Die Spiele sind zwar da – sie stehen aber noch nicht im Mittelpunkt. Denn, wie wir alle wissen: Ohne Mitspieler kann in der Regel kein Spiel bestehen. Ohne Mitspieler gibt es kein Spielerlebnis. Erst durch sie erleben wir Mechaniken, Themen und Grafiken – erst sie verwandeln die Theorie in Realität.
Einen großen Teil der Menschen, mit denen ich diese Erlebnisse teile, treffe ich an diesem Neuheiten-Mittwoch.
Donnerstag – T minus 0 Tage
Die SPIEL öffnet ihre Pforten. All die Mühen, um in das Innere der Messehallen zu gelangen, die Messebesucher erleben, treffen auch die Medienschaffenden: Verkehrschaos, Regen, Warteschlangen am Einlass. Zugegeben – die Fachpresse darf die Messe über gesonderte Eingänge rund 30 Minuten früher betreten. Dieser „Vorteil“ ist allerdings nötig, um pünktlich zum ersten Termin zu erscheinen.
Jetzt geht es um Spiele, Spiele, Spiele. Gemeinsam mit meiner Videoteam-Partnerin treffe ich mich mit Verlagsvertretern – von Pressesprechern großer Player bis hin zu Einzelkämpfern kleiner Verlage. Mir werden Neuheiten präsentiert, ich erfahre in Interviews und Gesprächen Neuigkeiten aus der Szene – oder oft beides.
Es gibt auch exklusive Verlags-Events, bei denen man abseits des Messetrubels etwas Luft holen, Autor*innen treffen und spannende Einblicke hinter die Kulissen gewinnen kann.
Der Donnerstag endet meist – wie auch in diesem Jahr – mit einer Standparty. „Party“ ist dabei ein starkes Wort: Vielmehr kommt man mit den Menschen, die man ohnehin den ganzen Tag gesehen hat, noch einmal zusammen, führt Gespräche, die über Smalltalk hinausgehen, und findet bei einer nicht übermäßig glamourösen Mahlzeit den dringend nötigen Energieausgleich.
Freitag bis Sonntag
Auch am Freitag gibt es Termine, Gespräche, Neuheiten. Doch die Rate zufälliger Begegnungen mit denselben lieben Menschen aus der Bubble wird spürbar geringer. Erste Geheimtipps machen die Runde – Spiele, die man sich nun gezielt anschaut. Der Faktor der Berichterstattung tritt allmählich in den Hintergrund. Immer stärker nähern sich die Realitäten von Medienschaffenden und Besucher*innen an.
Im Laufe des Samstags habe ich bereits über ein Dutzend Videos produziert. Inhalte müssen sortiert werden. Zufallsbegegnungen werden nun forciert – man versucht gezielt, bestimmte Menschen für eine Nachfrage oder ein kurzes Interview zu erwischen.
Der Hammer fällt am Sonntag – dieses Jahr nicht erst zum Messeschluss, sondern schon zwei Stunden vorher. Es bleibt das Gefühl, dass man von den Messehallen gar nicht so viel gesehen hat. Aber die Menschen bleiben im Kopf.
Die Brettspielszene ist herzlich. Das „Du“ in der Szene ist nicht nur Floskel, sondern gelebte Realität. Spiele machen Spaß – doch nach jeder Messe merke ich erneut: Es geht nicht nur um die Spiele. Es geht um die Menschen, die sie möglich machen. Darum, denen, die nicht auf der Messe sein konnten, Erlebnisse greifbar zu machen. Darum, die richtigen Spiele ans Herz zu legen, an Herausforderungen zu wachsen – und am Spieletisch jede*n mitzunehmen.
Aber auch darum, Neulinge einzuladen und nach der Messe die frohe Botschaft zu verkünden: Ja – die Menschen sammeln sich am Spieltisch! Der Mensch spielt gerne! Denn: Beim Spiel sind wir alle gleich.
Viel Spaß beim Spielen!
– Stephan Zerlik, spiel-doch-mal.com / Podcast Spielkulturerbe / Autor & Layout spielbox
